Campus Life

  • franzi
  • 28. Oktober 2015

Raus aus dem Bus rauf auf den Gehweg, an der in der Sonne glänzenden Bärenstatue vorbei rechts abbiegen auf den Bruins Walk und dann fix ab durch die Mitte. Denn hier empfangen mich diverse Schilder, Stände und lächelnde Kids, die für ihre Verbindungen oder Clubs werben. Greek Life nennt man das, was im Dunstkreis der hier so beliebten Studentenvereinigungen stattfindet, denn man benennt sich nach griechischen Buchstaben. Kappa Omega Theta usw. klingt ja auch erhaben. Nach humanistischen Idealen und philosophischen Diskussionsrunden statt Saufen und Social Networking. Außerdem sehen die griechischen Buchstaben auf den Häusern und den T-Shirts fescher aus, denke ich mir und bahne meinen Weg durch eine sportliche Dame in Leggins zu bauchfreiem Top und einen asiatisch aussehenden Surferboy im blauen Muscle-Shirt mit UCLA-Aufdruck. Als ich einem Lockenschopf auf dem Skateboard ausweiche, der gerade via Ohrstöpsel mit jemandem telefoniert, stehe ich vor zwei brutzelbraunen Beinen in Hotpants. (Wirklich, ich hab nur Beine gesehen.) Ich kneife die Augen zusammen und spähe in alle Richtungen: Wer hat hier in ein Nest von coolen Kids gestochen?

Nachdem ich nichts lokalisieren konnte, biege ich um die Ecke, nehm noch eine Nase voll Pinienduft und laufe in ein wunderschönes altes Backsteingebäude voller Schnörkel, auf dem eine Eule über der Inschrift „Library“ abgebildet ist, während das Glockenspiel der Royce Hall gegenüber ertönt und fühle mich eigentlich auch ziemlich cool. Eben eher so Harry-Potter-cool.

Es gibt Bücherregale aus dunklem Holz voller fetter Schinken mit zerfledderten Einbänden (die natürlich keiner anpackt, weil alle mit Laptops und Smartphones ausgerüstet sind, die einen mit allem Wissen der Welt und Katzenvideos versorgen), Studiertische, Polstermöbel, Schachbrettfliesen in dunkelrot und schwarz auf dem Boden, eine Holzdecke mit Sternmuster und die Treppengeländer sind mit Eulen und Bären verziert. Und ja, das kratzt so an der Grenze zum Kitsch wie es sich anhört.

Wenn die Augen langsam schwer werden vom vielen Lesen laufe ich vorbei an Zypressen und noch mehr ehrwürdigen Backsteingebäuden in den Tempel der koffeinhaltigen Heißgetränke und gönne mir einen nicht so ehrwürdigen Pappbecher (es gibt keine Tassen) mit Kaffee. Hazelnut flavoured. Dann schnapp ich mir die campuseigene Tageszeitung als Accessoire und strecke mich auf einem Stück Rasen im Schatten eines Baumes aus. Die Grünflächen hier sind wirklich sehr einladend, schließlich ist das Wetter immer gut und der Rasen grün. Was angesichts dessen, dass man sich hier eigentlich in einer Wüste befindet, ziemlich faszinierend und dekadent zugleich ist.

Fassen wir nochmal zusammen: Coole Menschen, schöne Gebäude, leckere Kaffee-Geschmacksvarianten, gute Grünflächen.


Nachsatz

Alles schön und gut hier. Aber warum bauen die Klokabinen mit winzigen Türen? Wo man unten durch krabbeln könnte? Wo links und rechts fette Spalten sind, die einen frech dazu auffordern, mal einen Blick auf den Klogänger zu werfen? Ja, es gibt da das Prinzip der höflichen Unachtsamkeit. Ja, man sollte nicht hinschauen. Aber ist doch das gleiche wie wenn man einen Menschen mit drei Armen sieht. Jeder weiß, dass einem Anstand und Sitte gebieten, nicht hinzustarren. Und…wer wirft da nicht verstohlene Blicke hin und zählt nochmal und nochmal nach? Genauso weiß ich auch, dass ich bei nem Horrorfilm zu meinem eigenen Wohl besser Chips holen oder einen „wichtigen Anruf“ entgegen nehmen sollte, wenns gruslig wird. Aber dann schau ich trotzdem hin und träum nachts wieder schlecht. Die Klospülungen sind auch nicht weniger verstörend. Betätigt man den Hebel, machts ein Getöse, als würde sich gleich ein schwarzes Loch auftun. Welcher Mörder verscharrt hier Leichen im Wald, wo es doch solche Klospülungen gibt?

Aber ihr wisst ja, wie es is. Man gewöhnt sich an alles. Wer weiß… vielleicht werd ich schon in ein paar Wochen, wenn jemand durch den Klotürenspalt auf mich schaut, pinkeln, lächeln und winken.


Meine Campus-Schlagworte

Bären: Der Bär ist das Maskottchen der University of California, Los Angeles insgesamt und ihrer Sportmannschaften im Speziellen. Die Sportmannschaften nennen sich Bruins, der Begriff steht im Englischen für den Braunbären. Der ist ja auch auf der Kalifornischen Flagge zu sehen. Auf dem Campus gibt es eine große Bärenstatue aus Bronze, mit der sich viele Studenten gerne fotografieren lassen. Manche reiben auch die Hinterpfote, das soll Glück bringen.

UCLA-Shirts: Die UCLA ist nicht nur eine Uni, sondern auch eine Marke. Das merkt man einerseits am Bärenhype, andererseits an dem riesigen Fanshop, der regen Absatz, vor allem unter den Studenten, findet. Auf dem Campus sieht man IMMER jemanden mit Shirt, Pulli, Socken, Sporthose, Notizbuch oder irgendeinem anderen Fanartikel rumlaufen. Und wenn nicht, dann haben sie garantiert ihre UCLA Unterhose an. Ist schon krass, dass man sich mit seiner Uni so identifiziert. Ich meine, Fanshirts, Pullis und vielleicht noch Jutebeutel von Unis gibts in Deutschland auch, aber nicht in diesen Ausmaßen. Man ist einfach wahnsinnig stolz drauf, hier als Student sein zu dürfen und will es der Welt zeigen. Es gibt sogar Klamotten für die Eltern mit der Aufschrift UCLA Mom oder UCLA Dad. Selbstverständlich gibt es auch Babykleidung. Warum auch nicht.
Ich persönlich finde den Hype um die Uni teilweise ganz nett. Gewöhnungsbedürftig finde ich allerdings den Slogan: Bruins Born, Bruins Bred, Bruins ‚til the day we’re dead. Ich verkneife mir einen Vergleich mit einem bestimmten Regierungssystem.

Headset-Telefonie: Es dauert ein bisschen, bis man nicht mehr irritiert ist, wenn jemand offensichtlich alleine über den Campus läuft und laut vor sich hin spricht. Nein, die reden nicht mit sich selbst, sondern benutzen nur ihr Headset zum Telefonieren. Warum? Das weiß ich auch nicht so genau. Ums Hände frei Haben geht es nicht unbedingt, weil viele ihr Handy dann trotzdem in der Hand halten. Man muss es halt nicht an den Kopf heben. Das könnte der entscheidende Vorteil sein. Andere Gründe liefert der gute Marc-Uwe Kling in diesem Video hier.

 

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